archiv(aus)lesen

archiv(aus)lesen

(Wiederschall-Fragmente aus dem SRF Hörspiel-Archiv, SRF vom 8. bis 15. Mai)
hör!spiel!art.mix, 17.01.2014 21:05 bis 23:00 Uhr, Bayern 2

Ein Archiv sammelt und konserviert historisches Wissen. Aber wer geht heute noch in ein Archiv? Wer macht sich die Mühe neben Wikipedia und Datenbanken im Internet in realen Archiven zu recherchieren? Und welche Archive sind überhaupt öffentlich zugänglich und wie ensteht damit Wissen? Wichtiges historisches Wissen verschwindet aus dem kollektiven Gedächtnis, wenn keine aktuellen Zugänglichkeiten und Lesbarkeiten von Archivmaterial möglich sind. So auch das Hörspielarchiv des SRF Radios, das erst seit kurzem dem Dornröschenschlaf entstiegen ist. Geschichte muss immer wieder neu erzählt, interpretiert und wiederholt werden, damit sie zu aktuellen Wissen wird. archiv(aus)lesen möchte das Hörspielarchiv als einen lebendigen Wissensspeicher denken, der Fragen des Zugangs wie auch die Möglichkeit von Beteiligung und Handlungsräumen einschliesst und so auf eine potentielle Relevanz verweisen kann.

_MG_6091_klein

Für die Installation wurde das Hörspiel Hören Sie mich? von Otto Höschle aus dem Jahre 1981 aus dem Archiv ausgewählt. Es konstituiert sich durch eine einzige Sprecherstimme, die immerwährend versucht, das Verhältnis zu einem fiktiven Publikum zu definieren. In der partizipativen Audio-Installation kann nun dem Hörspiel zu neuem Leben verholfen werden, indem das Manuskript Wort für Wort nach und nach durch die Besucher_innen eingesprochen, neu gelesen wird. Im zeitlichen Verlauf der Ausstellung entsteht so ein kollektives, neues Hörstück, dass sich aus seiner eigenen Sprachlosigkeit eine Sprachermächtigung erarbeitet. Aus der einen Stimme wird nach und nach eine Vielstimmigkeit, die das fiktive Publikum gleichsam selbst verkörpert, sie werden eins im Zuge der Neu-Inszenierung. Sprecher und Zuhörer werden identisch und stellen das Autoren-vs.-Publikum-Verhältnis auf den Kopf, und reflektieren die Beteiligungs- und Produktionsversprechen des heutigen Web 2.0-Gebrauchs. Der Inhalt des Hörspiels thematisiert das Gehörtwerden durch eine imaginäres Gegenüber. In der kollektiven Vielstimmigkeit aus Mitarbeiter_innen und Besucher_innen wird dieses Verhältnis auch in einem politischen Sinne befragt. Wer hat eine Stimme, wer darf mit/sprechen, wer zuhören?
Im Eingangsbereich des Radiostudios sind ein Mikrofon, ein Touchpad und eine Projektion installiert. Das Touchpad zeigt jeweils ein Wort an, mit der Aufforderung dieses einzusprechen. Die eingesprochenen Worte werden in einer Datenbank gespeichert, deren Wortschatz im Laufe des Projekts stetig ansteigt. Die Projektion zeigt den gesamten Text des Hörspiels als Laufband und spielt die Summe der schon eingesprochene Stimmen zeitgleich ab. Die anfängliche Sprachlosigkeit wird zur Vielstimmigkeit und über die Laufzeit des Projekts zum Chor.

Bilder